Rolf Mützenich
Rolf Mützenich, SPD-Fraktionsvorsitzender und Initiator des Manifests „Friedenssicherung in Europa durch Verteidigungsfähigkeit, Rüstungskontrolle und Verständigung“ / picture alliance/dpa | Bernd von Jutrczenka

Manifest von SPD-Politikern - Gut gemeint, aber realitätsblind und geschichtsvergessen

Das Manifest gegen die „militärische Konfrontationsstrategie“ gegenüber Russland lässt die Frage offen, wie man denn Putin zu Verhandlungen bewegen könnte. Der Verweis auf die Ostpolitik Willy Brandts verkennt überdies deren marginale Rolle beim Zusammenbruch der Sowjetunion.

Autoreninfo

Thomas Urban ist Journalist und Sachbuchautor. Er war Korrespondent in Warschau, Moskau und Kiew. Zuletzt von ihm erschienen: „Lexikon für Putin-Versteher“.

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Das vom früheren SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich initiierte Manifest gegen die „militärische Konfrontationsstrategie“ des Westens hat nun, vermutlich beabsichtigt, eine heftige Konfrontation unter den Genossen ausgelöst: „Realitätsverweigerer“ gegen „Säbelrassler“. Es ist ein neues Kapitel in der mittlerweile gut sechs Jahrzehnte währenden Debatte über die Ostpolitik, die mit den Namen Willy Brandts und Egon Bahrs verbunden ist.

Die Unterzeichner des Manifests formulieren eine Reihe überaus ehrenwerter Ziele der von ihnen geforderten Verstärkung diplomatischer Anstrengungen zur „möglichst schnellen Beendigung des Tötens und Sterbens in der Ukraine“. Sie verlangen, „notwendige Verteidigungsfähigkeit mit einer Rüstungskontroll- und Abrüstungspolitik zu verknüpfen“, auf dass ein „Konzept der gemeinsamen Sicherheit“ daraus erwachse. 

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Stefan | Sa., 14. Juni 2025 - 16:08

Der Grundsatz der Ostpolitik von Egon Bahr war „Wandel durch Annäherung“. Dieser Leitsatz, den Bahr 1963 in einer Rede in Tutzing formulierte, beschreibt die Strategie, durch politische, wirtschaftliche und kulturelle Annäherung an die Staaten des Ostblocks, insbesondere die DDR, Veränderungen in Richtung Entspannung und Demokratisierung zu bewirken. Ziel war es, die Teilung Deutschlands und Europas zu überwinden, indem man zunächst Kooperation und Dialog fördert, anstatt auf Konfrontation zu setzen. Diese Politik prägte die Entspannungspolitik der sozialliberalen Regierung unter Willy Brandt in den 1970er Jahren.
Eine Annäherung heutzutage ist schon deshalb nicht mehr möglich, weil die Konfrontation gewollt ist.
Zurückhaltung und leise Schritte stehen dem Elefanten im Porzellanladen entgegen.
Das ganze Pamphlet zeigt umso deutlicher die eigentliche Zerrissenheit der Sozialdemokraten.
Sich aus diesem Konflikt gänzlich herauszuhalten wäre die smarte Alternative gewesen.

Günter Johannsen | Sa., 14. Juni 2025 - 16:42

Mützeab hätte zu DDR-Zeiten sehr gut in die Reihe der SED-Bonzen (heute DIE LINKE) gehört: selbstgerecht, besserwisserisch, kleingeistig, nach Anerkennung heischend. Er könnte doch immer noch die Partei wechseln ... ?!

Günter Johannsen | Sa., 14. Juni 2025 - 16:46

"Das ganze Evangelium von Karl Marx, lässt sich in einem Satz zusammenfassen: Hasse den Mann, der besser dran ist als du. Niemals unter keinen Umständen zugeben, dass sein Erfolg auf seine eigenen Anstrengungen zurückzuführen ist, auf den produktiven Beitrag, den er für die gesamte Gemeinschaft geleistet hat. Schreibe immer seinen Erfolg der Ausbeutung, dem Betrug, dem mehr oder weniger offenen Raub von anderen zu. Niemals unter keinen Umständen zugeben, dass dein eigenes Versagen vielleicht auf deine eigene Schwäche zurückzuführen ist, oder dass das Versagen eines anderen auf seine eigenen Fehler zurückzuführen ist – seine Faulheit, Unfähigkeit, Unvorsichtigkeit oder Dummheit."
Henry Hazlitt (1894-1993)

Klaus Funke | Sa., 14. Juni 2025 - 17:22

Die SPD ist zwar mit an der Regierung, aber in Wahrheit pfeift die Partei auf dem letzten Loch. In Ostdeutschlabnd ist sie zu einer Nischenpartei verkommen. Ursache ist, dass die derzeitige SPD-Führung ihre Basis verloren hat. Es ist nur noch eine Nomenklaturkaderpartei. Wenn das nicht geändert wird, werden wir die SPD nicht mehr in irgendeiner Regierung wiederfinden. Eine der Schlüsselelemente ist die SPD als Friedenspartei. Dort kommt sie her und dort muss sie wieder hin, oder es ist Aus mit der alten Tante SPD. Sie wird versterben. Von diesem Motiv angetrieben haben sich die Frauen und Männer des Manifests aufgemacht, Änderungen der deutschen Politik zu erreichen. Dass gegen diesen Versuch Leute wie Pistorius Kritik äußern, verwundert nicht. Pistorius will der neue deutsche Superkrieger sein. Er wird damit scheitern. Das ist sonnenklar. Freilich wussten die Manifest´ler, dass sie abgelehnt würden. Aber gut, der Versuch ist es wert gewesen. Weitere solche Versuche müssen folgen.

Ich stimme Klaus Funke zu, denn es wird höchste Zeit, dass sich die SPD wieder auf ihre friedenspolitischen Wurzeln besinnt. Nur dann wird sie wieder stärker! Die Mehrheit der Wähler in Deutschland will keine Kriegspolitik, sondern eine solide Friedenspolitik. Und das geht nur über Gespräche mit Putin bzw. der russischen Regierung. Diese ist verhandlungsbereit, wenn ernsthafte (!) Angebote gemacht werden. Das globale Dominazstreben der USA muss überwunden werden und
1. Die Ukraine schließt eine Nato-Mitgliedschaft aus
2. Es wird anerkannt, dass die Krim-Bewohner sich für die Zugehörigkeit zu Russland entschieden haben
3. Die Donbas-Bevölkerung sollte durch eine Abstimmung über einen Sonderstatus oder eine Zugehörigkeit zu Russland entscheiden.
Wir in Deutschland können dies unterstützen durch Stopp der Waffenlieferungen und politische bzw. mediale Abrüstung: also keine Feindbildpflege und keine einseitige Parteinahme mehr!

Urban Will | Sa., 14. Juni 2025 - 17:31

nicht, ist dieses Manifest, wenn man auf einen der Verfasser, Grisgram Stegner, hört, doch in erster Linie deshalb entstanden, weil man sich Sorgen angesichts der zunehmenden Bedeutungslosigkeit der Sozen-Partei macht. Also mal wieder einen auf Frieden machen in der Hoffnung, bei den Linken, dem BSW oder sogar der AfD ein paar Stimmlein abzuschnorren.
Mehr ist da wohl nicht dran.
Ich denke, Putin wird diesen Fetzen nicht mal lesen und im Westen, mitten drin im Kriegs- und Aufrüstungs-Taumel hat man es eh schon de facto in den Schredder geschoben.
Ja, ein bisschen darf jetzt diskutiert werden, schön nach vorgegebener Regie natürlich, wie das im ach so demokratischen Westen ja nun „en vogue“ ist (siehe die Überschrift über diesem Artikel).
Aber man hat sich entschieden: Schulden bis zum Umfallen, Aufrüsten, bis die Schotten krachen und weiter liefern bis auch der letzte ukrainische Schütze sterbend dem vorletzten sterbenden Russen vor die Füße fällt.
Aber bloß nicht nachdenken.

Bernhard Homa | Sa., 14. Juni 2025 - 17:33

in Form des stets seine immer gleichen Parolen wiederholenden Autors – so viel zum Thema "Erstarrung". Sämtliche Unzulänglichkeiten aufzulisten sprengt die Zeichenzahl, man bemerke nur folgendes:
- Ex-post-Klugscheißerei gegenüber Bahr und Co. ist peinlich, insbes. für Zeiten mit realer Atomkriegsgefahr
- Dass "nur" Sanktions-Druck zum Wandel von 89/90 geführt habe glauben höchstens ein paar Neocon-Spinner – Gegenbeispiele sind NK oder IR. Zentrale Figuren wie Gorbatschow/Reagan, wechselseitiger Vertrauensaufbau usw. waren mind. ebenso wichtig. Monokausale Erklärungsversuche scheitern hier wie üblich und sind Zeichen ideologischer Borniertheit
- Und abschließend: Anstatt das Maul über Mützenich und Co aufzureißen, sollten Urban und andere Kritiker besser plausible Alternativen zur Kriegsbeendigung anbieten (s. https://www.ipg-journal.de/rubriken/aussen-und-sicherheitspolitik/artik…)/ – aber da herrscht halt seit Feb. 2022 auch nur gähnende Leere

Den Ball hat Russland im Feb. 2022 geworfen und niemand wird diesen Ball auffangen. Es zeigt lediglich Russlands gähnende Leere zur Beendigung seiner Aggressionspolitik. Russlands Vorschlag, die Ukraine solle aufgeben und eine russlandfreundliche Regierung akzeptieren, ist an Dummheit kaum zu überbieten.

Walter Bühler | Sa., 14. Juni 2025 - 17:55

Als unbedingter Selenski-Anhänger pflegt Herr Urban die unterschwellige Gleichsetzung Sowjetunion = Russland, die schon von den Nazis und in Vorkriegs-Polen verwendet worden ist.

Dabei waren Stalin und Berija keine Russen. Marx war Deutscher. Im ZK der KPdSU waren auch Ukrainer und Balten vertreten.
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Bei allen Schwachheiten und Inkonsequenzen, die bei jeder nicht-bolschewistischen Partei auftreten, sind in meiner Erinnerung die positiven Züge der damaligen SPD-Politik unbezweifelbar, was auch immer Herr Urban dazu sagt.
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Was wollen denn unsere lauten Russeenhasser mit dem russischen Volk machen, das sie heute wieder pauschal als böse, dumm und grausam, als Untermenschen diffamieren?

Wollen sie - wie Stalin - das russische Volk als ganzes entwurzeln und auf der Landkarte herumschieben?

Russland hat zu Europa gehört und wird zu Europa gehören.

Wir Nachbarn müssen wieder einen Weg zum freidlichen Zusammenleben finden - ganz egal, was moderne Nationalisten dazu sagen.

Recht so, ich stimme Ihnen absolut zu. Bloß den Urban überzeugen wir nicht. Das ist ein alter Russenhasser polnischer Prägung. Und er bildet sich wahrscheinlich sogar nch was drauf ein. Vielleicht kriegt er von der Selensky-Boy-Group ein paar Entschädigungen. Egal. Ich lass mich auch jedsmal wieder hinreißen, aber es lohnt nicht. Versteh nur nicht, was CICERO an dem Kerl findet. Meint man damit einen Ausgleich zu finden, wenn wiedermal Leute unserer Meinung stärkler vertreten waren? Nee, der Urban lohnt nicht irgendeiner Entgegnung, da ähnelt er dem guten Herrn Lenz (Gott hab ihn selig), auch mit dem war jede Diskussion sinnlos.

Elisa Laubeth | Sa., 14. Juni 2025 - 20:08

In erster Linie ist dieses „Manifest“ eine Breitseite gegen Klingbeil, also parteitaktisch motiviert. Verfasst von älteren, übellaunigen Herren, die ihre Karriereziele nicht erreicht haben und den erfolgten Bedeutungsverlust nicht verkraften. Um Unruhe in der Partei und nebenbei in der Koalition zu stiften ist das Thema perfekt, denn man kann auf Zustimmung hoffen.

Inhaltlich lässt es sich auf einen einfachen Nenner bringen: hat man einen Hammer, sieht alles wie ein Nagel aus. Den Verfassern ist entgangen, dass sich die Welt seit den 70ern fundamental verändert hat, was damals leidlich funktioniert hat, geht heute nicht mehr. Es gibt keine UDSSR mit Politbüro, genau definierten Parteikarrieren und halbwegs verlässlichen Funktionären mehr, sondern eine kleptokratische Autokratie mit einem Präsidenten, der in vergangen Großmacht- Phantasien lebt und das Grossrussische Reich zurückhaben möchte. Auch er hat nicht verstanden, dass die Welt eine andere geworden ist. Passt also.

Hans Süßenguth-Großmann | Sa., 14. Juni 2025 - 21:47

weiter Waffen liefern müssen, bis Putin die Geduld verliert und auf höherer Stufe eskaliert und dann brauchen wir nichts mehr zu diskutieren. Nur Kleingeister wollen Frieden. Da mein Geist nicht in der Lage ist die größeren Zusammenhänge, die Herr Urban sieht, zu sehen, stimme ich dem Papier zu. Außerdem müssen vielleicht bald auf Russenöl zurück kommen, wenn vom Golf nichts mehr kommt.

Wolfgang Borchardt | So., 15. Juni 2025 - 07:40

übersieht: Wer hat ein Interesse daran, dass die Beziehungen Deutschlands zu Russland angespannt bleiben? Die Antwort ist einfach. Die USA müssen verhindern, dass eine starke Achse Frankreich - Deutschland - Russland entsteht. Nur ist das mit Putin nicht machbar und das zwar wirtschaftlich und militärisch verstärkte Polen hat historisch begründete Ressentiments gegenüber Russland. D hat militärisch und ökonomisch nicht das Gewicht, um mit Russland in eine Verhandlungsposition treten zu können, die USA schon besetzt haben. Das ist der kleine, aber wesentliche Haken an dem aus der SPD kommenden Vorschlag. D beschränkt sich Kredite aufzunehmen, um Geld in die Ukraine zu pumpen und ukrainische Bürger hier finanziell zu unterstützen, deren wahres Vermögen niemand wissen kann.

Jens Böhme | So., 15. Juni 2025 - 10:28

Der Sozialismus ging wegen der ständig defizitären Finanzpolitik unter. Die DDR ging nicht wegen paar Leuten auf der Straße unter, sondern wegen der Wertlosigkeit der DDR-Mark, welches sich in allen Bereichen der Volkswirtschaft widerspiegelte. Druckmittel Nummer Eins gegen Gegner ist immer das Wirtschafts- und Finanzsystem. Das heutige Russland erweckt nur den Schein, als seien die wirtschaftlichen und finanziellen Sanktionen wirkungslos.

Dorothee Sehrt-Irrek | So., 15. Juni 2025 - 13:24

"gut gemeint".
Jedenfalls wird es m.E. nicht gelingen, wenn Polen eine Idee vom polnisch-litauischen Großreich wieder ausgräbt.
Willy Brandt hat Deutschland vom Irrweg des 1. und 2. Weltkrieges abgebracht.
RIP
ich glaube allerdings nicht, dass Deutschland eine mit-treibende Kraft "hinter" dem derzeitigen Konflikt mit Russland ist.
Sind es nicht doch die Skandinavier, ergo Balten, und nicht zuletzt die Ukraine?
Würden alle wieder Ruhe geben, wenn Prußen durch die Russen freigegeben würde?
Okay, der Dodo mag ausgestorben sein, die Prußen aber vielleicht nicht?
Ich kann mich aber irren...

Christoph Kuhlmann | So., 15. Juni 2025 - 14:17

Drei Jahre Ampel haben neben der Hardpower auch noch die Softpower verspielt. Die Hypotheken der Merkelzeit ließen keinen Neustart zu. Ökonomische und strategische Grundlagen, waren links der Mitte einfach vergessen worden. Glücklicherweise spielt der linke Flügel der SPD keine entscheidende Rolle. Dafür sorgt Russland. Mit der Kriegswirtschaft hat Russland die Zentralverwaltungswirtschaft der SU wieder eingeführt. Diese hate ja bereits die Waffenproduktion immer weiter zu Lasten der Konsumgüter ausgeweitet und die Unzufriedenheit durch einen mächtigen Unterdrückungsapparat kontrolliert. Zurzeit sind allein die Prügeltrupps mit 350 000 Man Teil der Armee, obwohl sie erwiesener Maßen nur Unterdrückung von Zivilisten geeignet sind. Korruption, Ineffektivität und mangelnder Wettbewerb machen das System in Russland wieder vom Ölpreis abhängig. Der langfristige Verlust der Westmärkte führt zur Abhängigkeit von China, welches selbst Investitionen aus dem Westen braucht. Wozu ein Manifest?

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