Baubeginn Batteriefabrik bei Heide
Schwarz-grün-rotes Trio: Daniel Günter, Robert Habeck und Olaf Scholz feierten mit Schwedens Botschafterin und den Northvolt-Chefs den Baustart der Batteriezellfabrik bei Heide / picture alliance/dpa | Marcus Brandt

Batteriefabrik in Schleswig-Holstein - Milliardengrab Northvolt: Bundesrechnungshof erhebt schwere Vorwürfe

Politiker von Schwarz bis Grün wollten den schwedischen Batteriehersteller Northvolt mit viel Steuergeld nach Schleswig-Holstein locken. Doch der ist nun insolvent. Die Prüfer des Bundesrechnungshofs prangern in einem vertraulichen Bericht schwere Versäumnisse im Wirtschaftsministerium an.

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Daniel Gräber leitet das Ressort Kapital bei Cicero. Sein Buch „Akte Atomausstieg“ ist im Herder-Verlag erschienen.

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Der Fall des mittlerweile insolventen schwedischen Batterieherstellers Northvolt ist ein Wirtschaftskrimi, der noch lange nicht aufgeklärt ist. Zu den Hauptfiguren zählt Peter Carlsson, ein Ex-Tesla-Manager aus Schweden, dessen Talent es war, Investoren und Politikern eine großartige Geschichte zu erzählen. Sie lautete: Wir bauen im Rekordtempo eine gigantische Produktionslandschaft auf, mit der wir die europäische Autoindustrie vor der Elektrodominanz der Chinesen retten und ein grünes Wirtschaftswunder vollbringen.

Diese Geschichte hörten viele gerne – in Stockholm, Brüssel, Berlin, Wolfsburg und Kiel. Das Kapital floss. Besonders angetan muss Robert Habeck von Carlssons Vision gewesen sein. Denn er versprach ihm während seiner Amtszeit als Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz ein Förderpaket mit der stolzen Summe von 1,3 Milliarden Euro. Dafür, dass Northvolt eine Batteriezellfabrik in Habecks Heimat Schleswig-Holstein errichtet. Ministerpräsident Daniel Günther sorgte dafür, dass ein Teil des Geldes aus dem Landeshaushalt kommt.

Der Staat hat sich verzockt

Ausgezahlt wurde davon zum Glück nicht alles. Denn der Northvolt-Mutterkonzern ist inzwischen insolvent. Und was aus dessen deutscher Tochtergesellschaft wird, die das riesige Werk bei Heide im Landkreis Dithmarschen bauen sollte, ist ungewiss. 700 Millionen Euro, die dafür als Zuschuss vorgesehen waren, hat Northvolt noch nicht bekommen. Aber 600 Millionen Euro für eine Wandelanleihe, die von der staatlichen Förderbank KfW gezeichnet wurde. Dieses Geld, das eigentlich zuzüglich Zinsen zurückgezahlt oder in Aktien (also Unternehmensanteile) umgewandelt werden sollte, droht verloren zu gehen – je nach Ausgang des Insolvenzverfahrens.

Der Gesamtschaden für den deutschen Steuerzahler könnte sogar noch höher werden: rund eine Milliarde Euro. Denn bereits unter Habecks Vorgänger, CDU-Wirtschaftsminister Peter Altmaier, erhielt Northvolt staatliche Unterstützung. Im Jahr 2020 übernahm die Bundesrepublik eine Garantie für Finanzkredite an Northvolt. Das Haftungsrisiko liegt bei 420 Millionen US-Dollar.

Der Staat hat sich bei Northvolt grandios verzockt. Denn er hat ein einzelnes Unternehmen massiv gefördert, dessen Erfolg ein reines Zukunftsversprechen war. Ein technologisch ausgereiftes und marktfähiges Produkt hatte Northvolt noch gar nicht. Hunderte Millionen in der Hoffnung zu investieren, dass dann ein solches Produkt entsteht, war eine riskante Wette, wie sie private Kapitalgeber eingehen. Politiker, die mit dem Geld ihrer Bürger hantieren, sollten davon lieber die Finger lassen. Und wenn sie es doch tun, vermeintlich aus industriepolitischen Gründen, müssten sie sehr genau prüfen, worin die Risiken bestehen und wie diese einzuschätzen sind. Im Fall Northvolt ist dies nur unzureichend geschehen. 

Alarmierender Bericht des Bundesrechnungshofs 

Zu diesem alarmierenden Befund kommt ein vertraulicher Bericht des Bundesrechnungshofs, der diesen Montag (17. Juni) an die Mitglieder des Haushaltsausschusses im Bundestag gegangen ist. Auf 50 Seiten zeichnen die Prüfer der regierungsunabhängigen Kontrollbehörde ein Bild des systematischen Versagens. Während bei der Kreditgarantie im Jahr 2000 das Wirtschaftsministerium noch nachvollziehbar und regelkonform vorgegangen sei, so der Rechnungshof, lief bei dem jüngsten Wandelanleihen-Geschäft einiges schief.

Die politische Verantwortung dafür trägt das rot-grün-schwarze Trio Olaf Scholz, Robert Habeck und Daniel Günther. Für alle drei wird der Mängelbericht des Bundesrechnungshof sehr unbequeme Folgen haben. Für Günther besonders, denn er ist als einziger der drei noch im Amt.

Der zentrale Befund des Rechnungshofs ist, dass das Gutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC, auf das sich Habeck bei seiner Entscheidung, das Wagnis Northvolt-Wandelanleihe einzugehen, wesentlich stützte, unzureichend war. Dieses Gutachten ist ein Schlüsseldokument zur Aufklärung der Northvolt-Affäre. Habeck hat es im Nachhinein, als das schwedische Unternehmen bereits in finanzieller Schieflage war, als „Verschlusssache-vertraulich“ einstufen lassen. Bundestagsabgeordnete durften es bislang nur in der Geheimschutzstelle des Parlaments einsehen und sich weder Notizen machen noch fotografieren.

Prinzip Hoffnung

Die Prüfer des Bundesrechnungshofs haben hingegen weitreichenden Zugriff auf die Akten des Ministeriums und haben das Gutachten, das sie in ihrem Bericht nur als Stellungnahme bezeichnen, gründlich analysiert. Zusammenfassend kommen sie zu folgendem Ergebnis:

„Für die Entscheidung zur Wandelanleihe im Jahr 2023 lagen dem BMWE (Bundesministerium für Wirtschaft und Energie) mehrere Unterlagen vor, insbesondere die Stellungnahme einer WP-Gesellschaft zur wirtschaftlichen Bewertung der damit verbundenen Chancen und Risiken. Wesentliche Voraussetzungen für den künftigen Erfolg des ‚Start-Ups‘ untersuchte sie allerdings nur eingeschränkt: So wies sie darauf hin, dass zur Wettbewerbsfähigkeit der Produkte zum Teil nur allgemein gehaltene Unterlagen vorlagen. Auch den für das geplante Unternehmenswachstum notwendigen Aufbau weiterer Werke untersuchte sie nur in Teilaspekten. Zu vorgesehenen Produktivitäts- und Ertragsverbesserungen lagen ebenfalls nur unvollständige Informationen vor. Eine Simulation zur Ausfallwahrscheinlichkeit der Wandelanleihe unterschätzte die Risiken für den Bund systematisch. Denn die als Vergleich herangezogenen Unternehmen waren überwiegend deutlich reifer als Northvolt und bereits mit Produkten im Wettbewerb etabliert. Zugleich enthielt die Stellungnahme keine Szenarioanalysen, um die Auswirkungen von Abweichungen bei wesentlichen Planungsparametern zu bewerten – obwohl solche Szenarien in vergleichbaren Fällen herangezogen werden.

Diese Lücken der Stellungnahme waren bereits in der Entscheidungsphase bekannt. Dies belegen eine Vielzahl kritischer Fragen, die im Vorfeld von Videokonferenzen gesammelt wurden. Zugleich lagen dem BMWE aus anderen Quellen Hinweise auf Termin- und Kostenüberschreitungen zum schwedischen Werk vor. Das BMWE hätte die Stellungnahme daher in mehrfacher Hinsicht nicht als hinreichende Entscheidungsgrundlage betrachten dürfen. Es hätte den Informationslücken und Risiken weiter nachgehen müssen. Es ist jedoch nicht zu erkennen, dass das BMWE zentrale Annahmen des Unternehmenserfolgs hinterfragte. In der Gesamtschau stellte der Bundesrechnungshof fest, dass das BMWE wesentliche Risiken der Wandelanleihe unzureichend ermittelt und bewertet hat. Es agierte stattdessen weitestgehend nach dem Prinzip Hoffnung.“  

Lückenhafte Akten

Bei der Durchsicht der Akten fiel den Prüfern zudem auf, dass diese recht lückenhaft waren, weil wesentliche Vorgänge und Entscheidungsgrundlagen nicht oder nur unvollständig dokumentiert wurden. Auch das ist ein alarmierendes Zeichen und könnte Bundestagsabgeordnete dazu verleiten, einen Untersuchungsausschuss in Erwägung zu ziehen. Der Bundesrechnungshof stellte dazu jedenfalls fest:

„Die Defizite in der Risikobetrachtung wurden durch Mängel im Entscheidungsverlauf erheblich begünstigt. So galt für die Bewertung von Risiken der Wandelanleihe vorliegend kein Mehraugen-Prinzip: Das BMWE hat die Risiken der Wandelanleihe faktisch alleine bewertet. Denn im Gegensatz zur UFK-Garantie (Garantie für Ungebundene Finanzkredite) und der zwischenzeitlich angedachten Beteiligung an Northvolt gemäß § 65 BHO war das BMF (Bundesministerium der Finanzen) bei der Wandelanleihe nicht dafür zuständig, eine eigene Risikobewertung durchzuführen.

Auch versäumte das BMWE, intern die erforderlichen Kapazitäten und Prozesse zu etablieren, um die Vorgänge sachgerecht zu bearbeiten. So hat das für die Wandelanleihe zuständige Referat beispielsweise an anderer Stelle im BMWE vorliegende Informationen nicht hinreichend berücksichtigt.

Das BMWE verstieß zudem gegen die Pflicht zur ordnungsgemäßen Aktenführung, denn wesentliche Entscheidungsschritte zur Wandelanleihe dokumentierte es nicht. Damit entziehen sich wesentliche Handlungen der Nachvollziehbarkeit und einer externen Kontrolle, insbesondere die Videokonferenzen mit der WP-Gesellschaft sowie Hintergrundgespräche. Die Verstöße wiegen aufgrund der politischen und finanziellen Bedeutung des vorliegenden Falls besonders schwer. Zugleich stellten sie ein Hemmnis für die Prüfung des Bundesrechnungshofes dar.“

Aufklärung kommt langsam voran

Was auf diesen Bericht folgen wird, bleibt abzuwarten. Habecks Nachfolgerin, CDU-Wirtschaftsministerin Katherina Reiche, hat bereits angekündigt, dass sie sich für Transparenz einsetzen werde. Sie habe ihr Ministerium gebeten, die Einstufung des PwC-Gutachtens als Verschlusssache zu überprüfen. „Das BMWE prüft jetzt, ob die Gründe für die Einstufung weiter fortbestehen oder ob das Gutachten zur Herstellung von mehr Transparenz veröffentlicht werden kann“, teilte eine Sprecherin mit.

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Achim Koester | Mi., 18. Juni 2025 - 15:13

Northvolt und die "Energiewende" ist das, was sich Andreas Scheuer geleistet hat gerade einmal "Peanuts", wie es der Chef der Deutschen Bank ausdrückte. Der tcheschische Politiker Zeman hat es treffend beschrieben: Deutschland wird von Idioten regiert.

Gerd Runge | Mi., 18. Juni 2025 - 15:53

wohlweislich unterlassenen Dokumentation
wichtiger Entscheidungen und Anordnungen
wird sich Herr Habeck zuletzt noch als Opfer
darstellen, ebenso mein "sehr geschätzter" MP.

Ernst-Günther Konrad | Mi., 18. Juni 2025 - 16:43

Reiche wird gar nichts machen. Da werden Emails gelöscht, Gutachten unter Verschluss gehalten und wahrscheinlich bei Herausgabebegehren teils geschwärzt, verschwinden vielleicht sogar, wie damals die Akten im Kanzleramt unter Kohl oder man vergisst vieles einfach, kann sich nicht erinnern und überhaupt. Genau der richtige Mann für die Elite Uni in den USA. Der wird dort exakt seine linken woken Studenten darauf einstimmen, wie man einen Staat maximal schädigt, zugrunde richtet und behauptet, das sei alles nur Transformation. Und Frau Reiche wird was tun? Richtig. Die wird viel Luft in die Welt blasen, maximale Transparenz herstellen, in dem sie was tun wird? Genau nichts. Noch nie hat ein Minister seinen Vorgänger ernsthaft als Lügner, Betrüger und Geldverschwender geoutet. Man sieht es doch derzeit bei Spahn und den Masken. Ist auch nichts passiert. Und mögliche Zeugen im Wirtschaftsministerium wurden längst mit höher bezahlten Posten entlohnt und zum Schweigen gebracht.

Ingofrank | Mi., 18. Juni 2025 - 16:53

der grüne Erklärber der alles erklären kann, aber nicht weiß wovon er spricht.
Und über allem, der Mantel des Schweigens ……
Alles in der gewollten politischen Gewissheit, dass nichts, aber auch garnichts relevantes, an das Licht der Öffentlichkeit kommt. Von staatsanwaltlichen Ermittlungen ganz zu schweigen ..,,,,
Was waren das für Zeiten, als sich Heerscharen von Journalisten beim kleinsten Verdacht auf politische Verfehlungen anfingen zu recherchieren ……um die große Story zu schreiben und sich eben nicht wie heute, sich den Regierenden anzudienen,
Mit freundlichen Gruß aus der Erfurter Republik

Sabine Lehmann | Mi., 18. Juni 2025 - 17:27

Welch illustre Runde. Da fällt mir dieser alte Songtext ein: "Sind so kleine Hände". Ich hab' da mal was vorbereitet. Das Original war für Kinder, dies ist ein Lied für unsere Politiker. Für alle Politiker. Und erst recht für deutsche Politiker:

Sind so kleine Hirne
winz'ger Inhalt drin
Darf ich nichts erwarten
Sonst enttäuscht ich bin

Sind so kleine Ohren
Meistens sind sie taub
Vor allem auf dem linken,
Denn das ist ja erlaubt

Sind so schnöde Münder
Kommt auch sehr viel raus
Meist ist es nur Bullshit
Dass es nur so graust.

Sind so trübe Augen
Meistens sind sie blind
Braucht man nicht verbinden
Denn sie bleiben wer sie sind

Ham so’n kleines Rückgrat
Sieht man fast gar nicht
Kann sich gut verbiegen,
Damit es nie zerbricht

Grade, klare Menschen
Wär'n ein schönes Ziel
Leute ohne Rückgrat
Hab′n wir schon zu viel

Maria Arenz | Do., 19. Juni 2025 - 07:35

von einem Voll-Dilettanten als Wirtschaftsminister? Haften tut er dafür natürlich nicht sondern wird im feinen Stanford Lehrbeaftragter für die Bewältigung von Krisen. Die er hierzulande selber massenhaft verursacht hat. Und an denen noch unsere Enkel bezahlen werden. Kann man sich nicht ausdenken.

Christoph Kuhlmann | Do., 19. Juni 2025 - 09:21

Es stellt sich die Frage, ob es eine unabhängige, staatliche Aufsichts- und Genehmigungsbehörde für Subventionen, Steuernachlässe und Ähnliches geben sollte. Die auch berechtigt ist Minister und Ministerpräsidenten juristische zur Verantwortung zu ziehen. Gerade nach dem Korruptionsskandal (Vetternwirtschaft) um die Wärmepumpenheizung war Habecks Glaubwürdigkeit, aber auch seine Kompetenz eingeschränkt. Gerade bei den Mitteln, die auf EU Ebene verschoben werden werden zweistellige Milliardenbeträge von unzertifizierten Dienstleistern beglaubigt. So wundert es nicht, dass in China 80 % der Projekte, die Zertifikate für eingespartes CO2 ausstellen, niemals irgendein Gramm Co2 eingespart haben. In der EU verkaufen sie damit munter Verschmutzungsrechte. Davon hört man nichts mehr, kein Rücktritt, keine Verhaftungen oder sonstige politisch-juristische Konsequenzen. Wer mauert denn da?

Peter William | Do., 19. Juni 2025 - 10:12

Ist ähnlich wie bei Philipp Amthor, dann werdet Investmentbanker und keine Politiker. Ihr haftet nicht für Steuergeldverschwendung. Ein erfolgloser Investor oder Investmentbanker wird bestraft...